von Horst Hennert
▶︎ Vor einem zahlreich erschienenen Publikum hielt Prof. Dr. Martin Rhonheimer, der an der Opus Dei Universität Santa Croce in Rom lehrende Philosoph am 28. Mai 2009 einen Vortrag im „Darwin-Jahr“ mit dem Titel: „Neodarwinistische Evolutionstheorie und die Frage nach Gott.“ Der große Saal in Feldmark, einer Bildungsinitiative von Mitgliedern und Freunden des Opus Dei in Berlin, war für die interessierten Zuhörer, die den nicht einfachen Ausführungen zu einem sehr komplexen Thema gespannt lauschten, dieses Mal zu klein.
▶︎ Gleich an den Anfang seiner Ausführungen stellte Rhonheimer die Aussage, dass die moderne Evolutionstheorie weder eine Gefahr für den Glauben an Gott noch für die Wahrheit der biblischen Offenbarung sei. Man müsse aber beide Achsen des Koordinatenkreuzes kennen: Wir müssen uns klar darüber sein, was wir unter „Gott“ und „Schöpfung“ verstehen. Andrerseits ist Kenntnis der modernen Evolutionstheorie vonnöten, mindestens soweit, um verstehen zu können, dass es sich um eine ernsthafte wissenschaftliche Theorie handele, die uns nicht zu leugnende Fakten auf eine Weise erkläre, die zugleich rational befriedigend, ja ausgesprochen „schön“ sei, aber auch konkurrenzlos dastehe: denn eine Alternative dazu gebe es nicht. „Entweder wir verstehen die Naturgeschichte des Lebens im Rahmen der modernen Evolutionstheorie“, so hob der Philosoph hervor „oder wir verstehen sie überhaupt nicht, das heißt: wir verzichten gänzlich auf eine wissenschaftliche Erklärung. Doch das will eigentlich niemand, weder Gläubige noch Ungläubige.“
▶︎ Verschiedentlich kam Rhonheimer darauf zurück, dass sich Evolutionstheorie und Existenz Gottes nicht ausschließen; auch die Wahrheit der biblischen Offenbarung sei davon nicht tangiert. Die moderne Evolutionstheorie impliziere weder Atheismus noch Materialismus, auch wenn sie uns ein Bild der Naturgeschichte des Lebens und einer Natur biete, die zur Erklärung ihrer inneren Wirkmechanismen – auch derjenigen ihrer Evolution – keines Rekurses auf Gott oder Schöpfung bedürfe. Aber auch eine so verstandene Natur führe schließlich zur metaphysischen Frage nach ihrem Ursprung und zu einer neuen Form des „Gottesbeweises“. Sowohl Kreationismus wie auch Intelligent Design (ID) seien dafür jedoch Irrwege, weil sie die Ursprungsfrage falsch stellen und auf einem falschen Gottesbild beruhen.
▶︎ In der kontrovers geführten anschließenden Diskussion begründete der Schweizer Philosoph noch einmal seine Position: „Auch wenn die gesamte Evolution und insbesondere die Evolution des Menschen biologisch betrachtet keinesfalls zielgerichtet verlaufen, sondern auch mit Momenten des Zufalls durchsetzt ist, liefert dies kein Argument gegen die Sonderstellung des Menschen als „Krone der Schöpfung“. Es sind nicht die Naturwissenschaften, die uns lehren, wer der Mensch ist. Der Mensch darf nicht von der Evolution her, sondern die Evolution muss vom Menschen her interpretiert werden. Auf der Grundlage des Bewusstseins unserer Menschenwürde, die uns zu- oder abzuerkennen nicht in die Aufgabe der Biologie fällt, können wir verstehen, dass die Evolution letztlich um des Menschen willen abgelaufen ist.“