von Hartwig Bouillon
Berlin, 10. April 2008
▶︎ Eine leise Melancholie lag über dem Vortrag von Prinz Wossen Asserate. Nichts sei mehr so wie früher. In Cambridge und Tübingen, wo er in ein akademisches Corps eintrat , da habe man in Bus und Bahn seinen Platz freigemacht, wenn ein älterer Mensch oder eine Dame ihn gebraucht hätten. Das sei vorbei. Und kürzlich habe ihm ein deutscher Restaurantbesitzer anvertraut, er beschäftige kein deutsches Personal mehr. Das sei häufig dienstunwillig. Spätestens an diesem Punkt wollte ihm nicht jeder der 400 Gäste im Atrium der Deutschen Bank Berlin folgen. Manierlich, aber deutlich widersprach ein Herr: Das möge für das Ende des vergangenen Jahrhunderts gegolten haben. Inzwischen sei das Hotel- und Gaststättenpersonal servicebewußter und höflicher. Das sei international anerkannt und erfahrbar.
▶︎ Nun denn. Das Anliegen Asserates war unbestritten: „Der höher Gestellte ist immer der andere!“ Mit diesem Bonmot von Gómez Dávila sagte der Deutsche, der weiterhin äthiopischer Grande ist, was ihm am Herzen liegt: „Man selbst ist verpflichtet, dem anderen mit allen Formen des Dienstes und der Hilfe entgegen zu kommen.“ Hierzu gehörendie vornehme Dienstbereitschaft, das Aufmerken, der Widerstand gegen gedankenloses Übernehmen von Unsitten. Für diese Tugenden sind die Manieren Zeichen.
▶︎ Daher schwebten sie auch über dem als „Werte und Tugenden im 21. Jahrhundert“ annoncierten Vortrag. Sein Bestseller „Manieren“ war den meisten der vom Berliner Feldmark-Forum geladenen Gäste geläufig. Feldmark ist als Bildungszentrum der Mitglieder und Freunde des Opus Dei in Berlin bekannt. Es ist zugleich Garant dafür, nahrhafte Kost gut zubereitet serviert zu bekommen.
▶︎ An einer Tugend hat es Prinz Asserate an diesem Abend für jeden ersichtlich nicht mangeln lassen: der Geduld. Wie gleichmütig freundlich er geschlagene zwei Stunden seine Bücher signierte, jedem Autogramm-Bild noch ein liebenswürdiges Wort zufügte, das war wahrhaft tugendhaft.