Weiten des Kosmos und des Herzens

Zu drei liturgischen Gedenktagen im Juni

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Genealogie Jesu und Christus Pantokrator, Mosaik in der Südkuppel im Esonarthex - Chora-Kirche (griechisch: Ἐκκλησία του Ἅγιου Σωτῆρος ἐν τῃ Χώρᾳ, Μουσείο Χώρας) Istanbul

Weite in der Natur
▶︎ An diesen Tagen, da in unseren Breitengraden die Sonne ihren Höhepunkt erreicht, ist uns der dichterische Schwung des Psalmisten ganz nahe, wenn er die Sonne betrachtet: „Sie tritt aus ihrem Gemach hervor wie ein Bräutigam; sie frohlockt wie ein Held und läuft ihre Bahn. Am einen Ende des Himmels geht sie auf und läuft bis ans andere Ende; nichts kann sich vor ihrer Glut verbergen“. (Ps 19,6-7).
▶︎ Es ist die helle Antwort des Glaubens auf jene andere Sehweise des Menschen als fremd und einsam „wie ein Zigeuner am Rande des Universums, das für seine Musik taub und gegen seine Hoffnungen gleichgültig“ ist (Jacques Monod). Das Unheimliche wird im Licht der Schöpfung zum Geschenk. „Die Himmel rühmen die Herrlichkeit Gottes, vom Werk seiner Hände kündet das Firmament.“ (Ps 19, 2). Das Faszinierende an der Natur mündet in einen Ruf des Staunens und des Dankes ein: „Sehe ich den Himmel, das Werk deiner Finger, Mond und Sterne, die du befestigt: Was ist der Mensch, dass du an ihn denkst, des Menschen Kind, dass du dich seiner annimmst?“ (Ps 8, 4-5)

Weite bei der liturgischen Feier der Glaubensgeheimnisse
▶︎ Paulus deutet eine uns überschreitende Weite, wenn er die „Tiefe des Reichtums, der Weisheit und der Erkenntnis Gottes“ nennt (Röm 11,33). Im Monat Juni finden wir drei liturgischen Gedenktage von Mysterien, die diese Weite entfalten und zur staunenden Anbetung auffordern: Die expansive Lebensfülle im Inneren der Dreifaltigkeit, die unaussprechliche Gottesnähe – Fronleichnam – durch die Eucharistie und die innigste Zuwendung des Menschensohnes an uns im Herzen Jesu. Aus dem gläubigen Staunen wird leicht Anbetung.
▶︎ Die Weite der Dreifaltigkeit ist kein statischer, in sich geschlossener Kreis. Sie breitet sich aus, entfaltet sich und erreicht uns. Gläubig bekennen wir uns als Gottes Geschöpfe, als von Christus Erlösten, als vom Geist Geheiligten. Das Bekenntnis wird sich oft in Stoßgebeten aus dem Herzen ausdrücken.
▶︎ Die Weite der Eucharistie – Fronleichnam – drückt sich auch im Äußeren aus: Die Schöpfung segnen mit der Monstranz! Der Fronleichnamszug als Aufforderung, den Herrn auch mitten in der Welt zu suchen, anzubeten, hinzutragen. „Christus geht, in der Hostie verborgen, durch die Straßen und Gassen - wie in seinem Erdenleben - und begegnet allen: denen, die Ihn sehen wollen, und denen, die Ihn nicht suchen. Jesus ist wieder einmal unter den Seinen. Wie stellen wir uns zu diesem Ruf des Meisters?“ (Christus begegnen 155)
▶︎ Dieser Gedankensprung ist möglich, weil es im Menschen eine andere Art von Weite gibt, die nicht die räumliche Unermesslichkeit des Weltalls, sondern die innere Tiefe des Geistes fasst. Es ist jene Offenheit, die der klassische aristotelische Spruch nennt: „Anima est quodammodo omnia“. Die Seele ist gewissermaßen alles, der Geist ist für alles offen, was da ist. Doch stößt diese Weite einmal an die unüberbrückbaren Grenzen des Transzendenten. Sie führt bis zu der Schwelle des übernatürlichen Glaubens und weckt Sehnsucht. Wer offen bleibt wird eingeladen, „von der Größe und Schönheit der Geschöpfe auf ihren Schöpfer zu schließen“ (vgl. Weish 13,5; Röm 1,20).
▶︎ Die Weite vom Herzen Jesu macht das unvorstellbare Geheimnis der Menschwerdung Gottes in Christus dem eigenen Empfinden zugänglich – hörbar im Wort Jesu, sichtbar im Blick Jesu, greifbar im Berühren Jesu. Jesus empfindet Zuneigung und Freundschaft, Erbarmen, Mitleid, Sehnsucht, Trauer und Jubel, Angst und Not... Er heilt Kranken, tröstet Trauernde, erweckt Toten zum Leben, sucht Freunde auf... „Müde von der Reise“ sucht er das Gespräch über ein „lebendiges Wasser“ mit der samaritische Frau (vgl Joh 4,1-26). „Diese Berichte haben schon immer die Herzen der Menschen bewegt, früher wie heute, denn hier zeigt sich nicht nur die aufrichtige Geste eines Menschen, der mit seinesgleichen Mitleid empfindet, sondern vor allem die Offenbarung der unauslotbaren Liebe Gottes. Das Herz Jesu ist das Herz des menschgewordenen Gottes, das Herz des Emmanuel, Gott mit uns. (...) Denn die Liebe Jesu zu den Menschen - es ist gut, wieder einmal daran zu erinnern - ist ein unergründlicher Teil des göttlichen Geheimnisses, der Liebe des Sohnes zum Vater und zum Heiligen Geist. Der Heilige Geist, das Band der Liebe zwischen Vater und Sohn, findet im göttlichen Wort ein menschliches Herz.
▶︎ Es ist nicht möglich, über diese zentralen Geheimnisse unseres Glaubens zu sprechen, ohne die Begrenztheit unseres Verstandes und den Reichtum der Offenbarung gewahr zu werden. Aber fest und demütig glauben wir diese Wahrheiten, auch wenn sie für die staunende Vernunft unfassbar sind: Gestützt auf das Zeugnis Christi wissen wir, dass es so ist; dass die Liebe im Schoß der Dreifaltigkeit sich ausgießt über alle Menschen durch die Liebe des Herzens Jesu. (Christus begegnen 169)